Trends in der Weiterbildung

Im Rahmen des Projekts Hochschulweiterbildung@BW verfolgt EVALAG die (europäischen) Entwicklungen und Trends in den Bereichen (hochschulische) Weiterbildung und Lebenslanges Lernen natürlich mit besonderer Aufmerksamkeit. Ein derzeit besonders intensiv diskutiertes Thema sind Anerkennung und Qualitätssicherung von „Micro-Credentials“, also von Nachweisen über Lernergebnisse und Qualifikationen, die über kurze Kurse oder Kursmodule erworben wurden – teils in Präsenz, teils hybrid, teils vor Ort und auch an Einrichtungen außerhalb des klassischen Hochschulsystems.

So war es auch auf der vom 14. bis 16. September 2022 unter dem Titel „Jenseits von Bachelor und Master – Innovation in der wissenschaftlichen Weiterbildung“ in Berlin veranstalteten Jahrestagung der DGWF (Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium e.V.). Die Tagung unter Vorsitz von Dr. Jan Ihwe (Universität Freiburg, Projektleitung Hochschulweiterbildung@BW) fand nach zweijähriger, pandemiebedingter Pause erstmals wieder in Präsenz statt und zog rund 200 Teilnehmende an, die sich auf dem Campus Schöneberg der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin im Osten der Stadt zusam- menfanden. Die dabei am stärksten vertretene Gruppe war die aus Baden-Württemberg: Allein 14 Regional- und Fachvernetzer:innen aus dem Projekt Hochschulweiterbildung@BW nahmen teil.

Drei Tage lang stand die Frage im Mittelpunkt, welche Herausforderungen sich Hochschulen (auch im globalen Wettbewerb mit privaten Bildungsanbietern) stellen müssen, wenn sie die Entwicklung und Umsetzung kurzformatiger Programme wie Micro-Degrees anbieten und wie Innovation und Vielfalt in der wissenschaftlichen Weiterbildung durch Best Practice sichtbar gemacht werden können.

Aus Sicht von EVALAG besonders spannend war u. a. die Podiumsdiskussion am zweiten Tag, die unter der Leitfrage stand „Microdegrees – ist das noch Bildung oder kann das weg?“. Dabei wurde intensiv diskutiert, auf welche Art und Weise Hochschulen bereits Micro-Degrees und Micro-Credentials anbieten und wie zukünftig hinsichtlich systematischer Qualitätssicherung, Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit mit diesen Angeboten um- gegangen werden soll. Denn einerseits ermöglichen kleinere Formate den Hochschulen zwar flexible und schnelle Reaktionszeiten bei der Bereitstellung von wissenschaftlichem Input, aber andererseits stellt sich na- türlich die Frage nach dem Qualitätsanspruch und der Qualitätssicherung.

Ein Workshop widmete sich den rechtlichen Rahmenbedingungen für Zertifikate und Micro-Credentials im Ländervergleich: Hier wurden Ergebnisse einer entsprechenden DGWF-Arbeitsgruppe und ein konkretes Umsetzungsbeispiel zum Einschluss von Zertifikaten in das hochschulinterne Qualitätsmanagementsystem vorgestellt.

Eine Keynote von Professorin Dr. Eva Cendon (Inhaberin des Lehrgebietes für Erwachsenen- und Weiterbildung an der FernUniversität Hagen) zum Thema „Neue Verhältnisse? Micro-Credentials im Kontext von Hochschulweiterbildung“ rundete die Tagung inhaltlich ab. Wie ein roter Faden zog sich daneben die Notwendigkeit verbesserter organisatorischer, personeller und finanzieller Rahmenbedingungen für die Weiterbildung durch das breite und vielfältige Veranstaltungsprogramm. Häufig angesprochen wurden z. B. das vielfach als überholt empfundene Kapazitätsrecht und die Regelungen zur Lehrdeputatsanrechnung.

Detaillierte Informationen zum Tagungsprogramm finden Sie unter
dgwf.net/id-2022.html

Auf der Jahrestagung der AQ Austria, die am 22. September 2022 in Wien stattfand, wurde das Leitthema „Lebensbegleitendes Lernen an Hochschulen: Standpunkte und Perspektiven“ diskutiert. Den Anlass dazu gaben die gesetzlichen Neuregelungen in Österreich, die darauf abzielen, Hochschulen als Orte des lebensbegleitenden Lernens zu stärken, gleiche Rahmenbedingungen für die hochschulische Weiterbildung an allen Hochschultypen zu schaffen und die Durchlässigkeit in der Hochschulbildung zu fördern. Damit eng ver- bunden ist auch die kontinuierliche Qualitätssicherung hochschulischer Weiterbildung.

In ihrer Keynote verschaffte Professorin Dr. Elena Wilhelm (Leitung der Abteilung Hochschulwissenschaften an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften) dem Plenum einen Überblick über die verschiedenen Rechtslagen im deutschsprachigen Raum. Der Vergleich zwischen Österreich, der Schweiz undDeutschland zeigte dabei sehr eindrücklich, wie unterschiedlich die drei Länder im Hinblick auf die derzeitangebotenen Formate in der wissenschaftlichen Weiterbildung aufgestellt sind. Die Vortragende identifizierteweiterhin sogenannte „Studiengänge im Baukastenprinzip“ als eine Herausforderung, aber auch große Chancein der hochschulischen Weiterbildung: Diese Studiengänge ermöglichen zum einen maximale Flexibilität für die Studierenden, erfordern aber zum anderen eine hohe Beratungsleistung von den Hochschulen. Im Rahmen eines themenspezifischen Forums hatten Dr. Jan Ihwe (Universität Freiburg, Projektleitung Hochschulweiterbildung@BW) und Milena Müller (EVALAG, Teilprojektleitung Qualitätssiegel) die Gelegenheit, das Projekt Hochschulweiterbildung@BW als Praxisbeispiel zur systematischen Qualitätssicherung von hochschulischer Weiterbildung in Baden-Württemberg vorzustellen.

Detaillierte Informationen zum Tagungsprogramm finden Sie unter
www.aq.ac.at/de/veranstaltungen/dokumente-jahrestagung_2022/jahrestagung-2022.php

Eine Arbeitsgruppe der ENQA mit Vertreter:innen von Agenturen aus 12 europäischen Ländern, darunter auch EVALAG, befasst sich seit Mitte letzten Jahres mit möglichen Ansätzen einer systematischen Qualitätssicherung von Micro-Credentials und den dazu bereits aus verschiedenen europäischen Ländern vorliegenden Erfahrungen. Ein Anliegen der Arbeitsgruppe ist die Analyse der im Europäischen Hochschulraum verbindlichen „Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum“ (ESG) auf ihre Anwendbarkeit auch auf die Mini-Kurse. Noch vor Ende des Jahres sollen dazu Empfehlungen veröffentlicht werden, von denen erhofft wird, dass sie Eingang finden in die anstehende Überarbeitung der ESG. Am 27. September 2022 wurden erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe online vorgestellt und diskutiert. Die Resonanz war mit mehr als 300 Teilnehmenden unerwartet hoch.

Vorgestellt wurde zunächst eine durch die Arbeitsgruppe durchgeführte umfassende Bestandsaufnahme, die ergab, dass Micro-Credentials zwar im Blick von Qualitätssicherungsagenturen sind, die konkreten Regelungen aber in hohem Maße von der Verbreitung und Akzeptanz der Micro-Credentials in den jeweiligen nationalen Kontexten und den teilweise noch in der Entwicklung befindlichen rechtlichen Anforderungen abhängen. Ein weiterer Befund war, dass aufgrund der Besonderheiten von Micro-Credentials durchaus auch Bedenken bestehen, ob die bisherigen internen Qualitätssicherungsmaßnahmen an den Hochschulen die Minikurse verlässlich abdecken können.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden dann eine Reihe von Bereichen umrissen, die zusätzliche Aufmerksamkeit erfordern, wenn Micro-Credentials so konzipiert, bereitgestellt und überprüft werden sollen, dass sie qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern und den Erwartungen der immer vielfältigeren Profile von Lernenden gerecht werden. Zu den Diskussionsthemen gehörten die Angemessenheit einer ex-ante- oder ex-post-Qualitätssicherung, der Grad der Einbeziehung von Partner:innen aus der Industrie, das Konzept eines Ablaufdatums und die Verbindung zwischen Qualitätssicherung und Anerkennungspraktiken (auch im Hinblick auf Kombinations- und Kumulierungsmöglichkeiten sowie die Übertragbarkeit von Micro-Credentials).

Die Veranstaltung mit allen Beiträgen ist online dokumentiert unter:
www.enqa.eu/events/online-dissemination-event-external-quality-assurance-of-micro-credentials-27-september-2022/